Arbeitsgruppe Theorie der elektronischen Korrelationen und kollektiven Phänomene
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Nematische Ordnung und Fluktuationen in Fe-basierten Supraleitern
Fe-basierte Supraleiter sind faszinierende neue Materialien, in denen der supraleitende Zustand wahrscheinlich durch einen unkonventionellen Paarbildungsmechanismus zu Stande kommt. Die Materialien weisen ein komplexes Phasendiagramm auf, in dem magnetische, strukturelle und supraleitende Phasen miteinander konkurrieren. Die strukturelle Ordnung in diesen Systemen steht mit einem nematischen Zustand in engem Zusammenhang, einem Zustand, bei dem die Rotationssymmetrie ohne zusätzlichen Bruch der Translationsymmetrie gebrochen wird.
Auch wenn die Existenz einer nematischen Ordnung in Fe-basierten Supraleitern inzwischen allgemein als experimentelle Tatsache akzeptiert wird, wird ihr Ursprung noch intensiv diskutiert. Die nematische Ordnung bricht die diskrete Gitterrotations-Symmetrie, indem sie die Äquivalenz der x- und y- Richtungen in der Fe-Ebene aufhebt. Dies kann sowohl als Folge (i) des strukturellen tetragonal-zu-orthorhombisch-Übergangs als auch (ii) einer spontanen Brechung der Orbital-Symmetrie als auch (iii) einer spontanen Entwicklung einer Ising-Modell-artigen Spin-nematischen Ordnung - ein magnetischer Zustand, der die Rotationssymmetrie bricht aber die Zeit-Umkehr-Symmetrie bewahrt - erfolgen. Die Landau-Theorie der Phasenübergänge fordert zwingend, dass das Auftreten einer dieser Ordnungen das Auftreten der anderen beiden Ordnungen zur Folge hat. Dies macht die Frage nach dem Ursprung der of Nematizität zu einem "Henne-Ei-Problem".
In unserer Arbeit haben wir gezeigt, dass experimentelle und theoretische Anhaltspunkte sehr für eine elektronische und keine phononische Wirkungsweise sprechen, was die nematische Ordnung der Klasse der Korrelations-getriebenen elektronischen Instabilitäten wie Supraleitung und Dichtewellen zuordnen würde. Unsere Analyse der Transport-, magnetischen und elastischen Eigenschaften im Rahmen eines Spin-getriebenen Szenarios zeigte, dass dieser Ansatz eine Vielzahl experimenteller Beobachtungen in einem einheitlichen physikalischen Bild erklären kann.
Wir arbeiten eng mit unseren experimentellen Kollegen der IMQT-Arbeitsgruppe Neue Materialien, Transport, Thermodynamik und Mesoskopie sowie mit Theorie-Kollegen in Deutschland (Bochum und Dresden) und auch weltweit (Minnesota, Wisconsin, Rutgers) zusammen.
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Elektronische Korrelationen in Übergangsmetalloxiden
Übergangsmetalloxide sind eine Materialklasse, die zur Zeit im Mittelpunkt des Interesses steht. Die besondere Herausforderung bei der theoretischen Beschreibung dieser Verbindungen besteht dabei in der starken Coulomb-Abstoßung zwischen den Elektronen in den teilweise gefüllten 3d-Schalen, die für die sonst überaus erfolgreichen Bandstrukturmethoden der Festkörperphysik ein unüberwindbares Problem darstellt.
Seit den Arbeiten von Fujimori und Minami (Phys. Rev. B 30 (1984) 957) ist bekannt, dass sich impulsintegrierte Valenzband-Photoemissionsspektren dieser Materialien gut reproduzieren lassen, wenn man einen oktaedrischen Cluster betrachtet, der aus einem Übergangsmetall-Ion in einem Käfig aus Sauerstoffatomen auf nächsten Nachbarplätzen besteht und diesen mit der Methode der Configuration Interaction behandelt. Die Übereinstimmung mit dem Experiment ist in der Tat so gut, dass der Vergleich von simulierten und gemessenen Röntgen-Absorptionsspektren heute ein Standardverfahren in der Spektroskopie darstellt.
Wir haben diese Cluster-Methode (VCA: Variational Cluster Approximation) zu einem Bandstrukturverfahren für korrelierte Materialien weiterentwickelt, indem wir die elektronische Selbstenergie - eine Größe, die die Wechselwirkung zwischen den Elektronen vollständig beschreibt - aus der Lösung des Clusterproblems entnommen und als Ansatz-Selbstenergie für ein Gittersystem verwendet haben. Die zugrundeliegende Theorie geht auf Potthoff (Eur. Phys. J. B 36 (2003) 335) zurück und wurde von anderen Gruppen mit großem Erfolg auf Modellsysteme wie das Hubbard-Modell angewandt.
Unsere Version der Theorie erlaubt, realistische Bandstrukturen mit der exakten Multiplett-Theorie für 3d-Schalen zu kombinieren und so Bandstrukturrechnungen für reale stark korrelierte Isolatoren wie NiO, CoO oder MnO durchzuführen. Neben der Berechnung von Bandstrukturen ermöglicht diese Theorie auch die Diskussion von thermodynamischen Größen und Phasenübergängen, so etwa die Diskussion von Spin-Übergängen in LaCoO3.
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Gitterdynamik und Elektron-Phonon-Wechselwirkung
Moderne ab-initio-Verfahren erlauben es heutzutage, neben der elektronischen Struktur auch die Gitterdynamik von Materialien mit komplexer Kristallstruktur im Detail zu bestimmen. Darüber hinaus kann die Wechselwirkung zwischen Elektronen und Phononen, die Elektron-Phonon-Kopplung (EPK), mikroskopisch berechnet werden. Diese Größen bestimmen eine Reihe grundlegender Eigenschaften eines Festkörpers, und können zum Verständnis verschiedener Phänomene wie Supraleitung und strukturelle Phasenübergänge beitragen.
Ein aktuelles Arbeitsgebiet sind die Eisenpniktid-Supraleiter. Für eine Reihe von Vertretern der 122-Eisenpniktide konnten wir die Gitterdynamik in Zusammenarbeit mit der Neutronenspektroskopie im Detail charakterisieren. Unsere theoretischen Studien zeigten, dass es in dieser Materialklasse ein empfindliches Wechselspiel zwischen Struktur und Magnetismus gibt, das sich auch in der Gitterdynamik widerspiegelt. Die Berechnung der Phonon-Paarwechselwirkung zeigte darüber hinaus, dass die EPK für die hohen Sprungtemperaturen nicht in Frage kommt und deshalb ein unkonventioneller Mechanismus sehr wahrscheinlich ist.
Eine weitere Konsequenz der EPK ist eine Renormierung der Phononen, die sich in einer Absenkung der Frequenz und einer endlichen Lebensdauer ausdrückt. Bei ausreichend großer Kopplung kann ein Phonon zur Frequenz ω=0 getrieben werden (soft mode), was zu einer Instabilität der ursprünglichen Kristallstruktur und zu einer neuen Ordnung führt. NbSe2 und TiSe2 sind zwei prominente Beispiele, die solche Instabilitäten aufweisen. Unsere Arbeiten zur Gitterdynamik und zur mit der soft mode verknüpften Linienbreite (inverse Lebensdauer) in Verbindung mit Messungen mittels inelastischer Röntgenstreuung konnten qualitative Unterschiede zwischen den beiden Verbindungen aufzeigen. Während für TiSe2 das klassische Bild eines elektronisch getriebenen Phasenübergangs noch zutrifft, spielen bei NbSe2 die spezifischen Eigenschaften der EPK, insbesondere deren Impulsabhängigkeit, eine dominierende Rolle.
Weiterhin beschäftigt sich unsere Gruppe mit dem Einfluss relativistischer Korrekturen auf Gitterdynamik und EPK, die für Verbindungen mit schweren Elementen von Bedeutung ist. Anhand des klassischen Supraleiters Blei konnte gezeigt werden, dass die Spin-Bahn-Wechselwirkung die Paarwechselwirkung erheblich modifiziert, und erst die Einbeziehung dieser relativistischen Korrektur eine quantitativ korrekte Beschreibung der Supraleitung ermöglicht.
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Elektronische Selbstenergie-Effekte
Die Elektron-Phonon-Kopplung der elektronischen Quasiteilchen an die Gitterschwingungen renormiert insbesondere Zustände in der Nähe der Fermi-Energie. Dieser Effekt kann mit unseren ab-initio-Methoden quantitativ beschrieben werden. Für den Hochtemperatursupraleiter YBa2Cu3O7 konnten wir zeigen, dass die EPK zwar zu einer Änderung der Quasiteilchen-Dispersion führt, dass der dadurch auftretende Knick ('kink') in der Bandstruktur jedoch deutlich kleiner ist als experimentell beobachtet. Dies schließt die klassische Elektron-Phonon-Kopplung als Hauptursache dieses Effekts aus.
Wir wenden wir diese Technik auch zum Studium der Eigenschaften elektronischer Zuständen an Oberflächen an, die mit den experimentell verfügbaren Techniken (z.B. winkelaufgelöste Photoemission) leicht zugänglich sind. Für die Pd(111)-Oberfläche konnten wir so die experimentell beobachtete sehr lange Lebensdauer des unbesetzten Shockley-Zustands durch das Fehlen von Zerfallskanälen erklären. Besetzte Zustände zeigen eine deutlich größere Ankopplung an die Phononen.
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Ausgewählte Veröffentlichungen: |
(12) R. Heid et al., Phys. Rev. Lett. 100 (2008) 137001 |
(13) I. Yu. Sklyadneva et al., Phys. Rev. B 80 (2009) 45429 |